Vita
Martina Rellin
Autorin und Journalistin, lebt und arbeitet in Oybin und Berlin.
Die Hinweistafel fürs Ponyreiten hat mir Lesen beigebracht: Zur Schule ging ich noch nicht, aber auf dem Pferderücken wollte ich schon sitzen – also buchstabierte ich Sonntag für Sonntag im Park das Schild mit Pfeil in die richtige Richtung: „Pe-O-Enn-Ypsilon-Err-E-I-Te-E-Enn, Po-ny-rei-ten.” Von Buchstaben wie „nn” oder „pü” oder der Ganzwortmethode hatten meine Eltern noch nix gehört. Die anderen Buchstaben lernte ich auch schnell, Ergebnis: Ich konnte vor der Schule lesen und eigentlich auch schreiben. Hartnäckig wünschte ich mir eine mechanische Schreibmaschine – und bekam sie. Meine erste getippte Geschichte handelte von einem Kätzchen, das auf einen Baum klettert und von der Feuerwehr gerettet werden muss. Ich hab sie immer noch – nicht die Feuerwehr, die Geschichte.
Klar wollte ich Schriftstellerin werden – in der Pubertät siegte vorerst die Vernunft über die Liebe zum Buch. Oder nein: Wahrscheinlich war es wirkliches Interesse. Statt Schriftstellerin lautete der Berufswunsch fortan: Journalistin. Nach Abitur und kurzem Ausflug an die Universität Hamburg siegte die Praxis über die Theorie: Journalisten-Ausbildung von 1983-85 an der Hamburger Journalistenschule unter dem wachsamen Auge des Sprachpapstes Wolf Schneider. Nach Stationen bei der Deutschen Presse-Agentur und dem Berliner Tagesspiegel Arbeit als freie Journalistin und Texterin und Projekt-Leiterin bei Scholz & Friends Dresden/Berlin (Kommunikation und Guerilla-Marketing sind bis heute meine Leidenschaft, von der ausgewählte Kunden hin und wieder profitieren dürfen). Von 1994 bis 2001 Chefredakteurin der traditionsreichen Zeitschrift Das Magazin.
Seit 2001 schreibe ich Bücher, die nicht selten Diskussionen anstießen. Das Buch „Ich habe einen Liebhaber. Frauen erzählen ..." war Titel-Thema der Zeitschrift stern – ich musste mir Fragen gefallen lassen wie: „Retten Liebhaber denn Ehen?” Es folgte, ebenfalls als stern-Titel, das Buch „Wir sind die neuen Liebhaber. Männer erzählen“ (beliebte Frage: „Können Männer denn überhaupt von sich erzählen?”) . Das Buch „Klar bin ich eine Ost-Frau“ (Rowohlt Berlin) erreichte auf der Bestsellerliste des Spiegels Platz elf. Parallel zu den Taschenbuchausgaben der Liebhaber-Bücher bei Piper erschien „Ich habe einen Liebhaber. Die Gebrauchsanweisung“ – bis heute eine humorvolle Schrift ohne erhobenen Zeigefinger, geeignet zum Nachdenken besonders für Menschen, die das noch gern tun (Frauen). Es folgte das Buch „Bin ich eine gute Mutter, Frauen erzählen“, dann erschien „Die Wahrheit über meine Ehe. Frauen erzählen“ (Brigitte-Buch im Diana Verlag, Randomhouse), und als Pendant dazu das Männerbuch „Göttergatten. Was Männer wirklich über ihre Frauen denken” (ebenfalls Brgitte-Buch im Diana Verlag/Randomhouse). 2019 habe ich mit Joahnnes Heine sein Mutmach-Buch veröffentlicht: „Ein Mann steigt seinem Krebs aufs Dach”. Keine Sorge, dieses Buch zieht seine Leser nicht runter, vielmehr vermittelt Dachdeckermeister Hannes in seiner direkten, bodenständigen Art Einblicke in die Männerseele und unser Gesundheitssystem, die überraschen, bewegen und anregen – zum Nachdenken, zum Diskutieren. Dieses Buch ist übrigens entstanden, weil ich vor Jahren einer Eingebung gefolgt bin und etwas begonnen habe, woran ich bis heute größte Freude habe: meine Arbeit mit Autorinnen und Autoren aller Art.
Begonnen habe ich damit 2003 in Kühlungsborn an der Ostsee, diese Schreibtage finden heute zentraler in Grimma statt. Stationär angesiedelt ist die Martina Rellin Schreibwerkstatt heute am Rande von Berlin und – seit 2017 – als Schreibwerkstatt Oybin im Zittauer Gebirge. Manchmal gibt es Schnupperkurse, „normale” Kurse dauern einen Tag bis eine Woche und in Oybin vermittele ich allen Freundinnen und Freunden des Schreibens (oder solchen Menschen, die sich mit dem Schreiben anfreunden wollen) das Handwerk des Schreibens – und die Freude daran. Wer sich dafür interessiert, darf sicher sein: Meine Erfahrung bei der Schreibbegleitung ist nicht theoretisch sondern praktisch, sie ist nicht kurzfristig angelesen sondern langjährig erprobt. Und – ganz wichtig –: Ich liebe diese Arbeit. Teilnehmerinnen sagen mir immer wieder: Das merkt man. Gut so.
Wer bis hier gelesen hat, suchte vielleicht die Antwort auf eine Frage, die mir besonders gern gestellt wird: „Sind Sie denn aus dem Osten oder aus dem Westen?” Für Birgit, Veranstalterin einer Lesung mit mir und dann auch noch Schreibkursteilnehmerin und langjährige Begleiterin meiner Arbeit, war klar: „Du bist ja auch aus dem Osten.” Ich sagte zu ihr: „Birgit, ich habe 1982 in Hamburg Abitur gemacht.” Sagt sie: „Ja, aber du warst ja Diplomatenkind, deine Eltern waren ja aus der DDR.” Das hatte sie offenbar viele Jahre gedacht. Nein, ich war kein Diplomatenkind. Ich bin, wie die Kanzlerin, in Hamburg geboren, wer sich auskennt: in der Finkenau. Ich bin also eine Original Hamburger Deern (es heißt nicht „Dirn”, liebe Leute). Aber Niesel und Nebel in der Stadt und alles überhaupt ließen mich schon als 16jährige beschließen: Ich muss nach Berlin! So kam es (siehe oben: Tagesspiegel…). Und wenn mich dann heute eine original-originale Ost-Frau fragt: „Ja, kann denn eine West-Frau über Ost-Frauen schreiben?” Dann verweise ich auf das Zitat meines Magazin-Kollegen Jürgen S. (im Nachwort des Ost-Frauen-Buches: „Du bist total ossifiziert.”) Und auf das Göttergatten-Buch: Hier habe ich auch die Erlebnisse und Gedanken von Männern festgehalten. Und das Buch gilt als durchaus gelungen. Fragt mich jemand: Sind Sie denn auch ein Mann? Heißt in Kürze: Ideen und Inspiration sind nicht verboten – aber Handwerk ist beim Schreiben das A und O. Womit wir wieder bei Buchstaben wären. Wer Kreiselgeschichten mag, liest einfach noch mal von vorn … Die Hinweistafel fürs Ponyreiten …